Veränderung bedeutet, Neues auszuprobieren und sich von Gewohntem zu verabschieden - alleine oder gemeinsam im Team. Was einfach klingt, ist in der Praxis oft nicht leicht. Wie kann Geistliche Begleitung solche Veränderungsprozesse unterstützen? Das NETZ Magazin des Bistums Limburg hat nachgefragt bei Sandra Pantenburg, Referentin für Liturgie und Glaubenskommunikation, und Samuel Stricker, Leiter des Zentrums für christliche Mediation und Spiritualität Heilig Kreuz in Frankfurt.
Frau Pantenburg, Herr Stricker, was genau verbirgt sich hinter dem Begriff „Geistliche Begleitung"?
Samuel Stricker: Geistliche Begleitung ist die Suche nach gelingendem Leben. Alle Themen, die das Leben ausmachen, können dabei in den Blick kommen: alle Fragen, Wünsche, Sehnsüchte oder Ängste. Geistliche Begleitung will zu immer mehr authentischem Leben führen - mehr zu sich, aber auch mehr zu Gott und damit zum Nächsten und zur ganzen Schöpfung. Es ist ein gemeinsames Unterwegssein auf Augenhöhe. Im Bistum Limburg sind alle Geistlichen Begleiterinnen und Begleiter entsprechend ausgebildet und offiziell durch die Diözese für ihren Dienst beauftragt.
An wen wendet sich Geistliche Begleitung?
Stricker: Geistliche Begleitung kann grundsätzlich jeder Mensch in jeder Lebenssituation in Anspruch nehmen. Häufig suchen Menschen eine solche Begleitung in Krisenzeiten oder wenn Veränderungen anstehen.
Sandra Pantenburg: Manchmal braucht es ein bisschen Mut, um über den eigenen Schatten zu springen. Es gibt oft ein Stück Unsicherheit darüber, was in der Begleitung passieren wird. Aber es lohnt sich, diesen Schritt zu wagen.
Stricker: Das kann ich nur unterstreichen. Geistliche Begleitung kann dabei helfen, dem eigenen Lebensglück mehr Raum zu geben.
Gibt es auch Angebote von Geistlicher Begleitung für Gruppen oder Teams?
Stricker: Ja, dann geht es in der Regel darum, wie die geistliche Dimension in den Arbeitszusammenhängen sichtbar werden kann. Beispielsweise in einer Pfarrei steht die Entwicklung eines neuen Pastoralkonzepts an. Wie kann das für uns als Team ein geistlicher Prozess werden? Solche Dinge können im Rahmen einer Geistlichen Begleitung erarbeitet werden.
Wie kann Geistliche Begleitung Veränderungsprozesse im Team oder für den Einzelnen unterstützen?
Stricker: Das Erste ist, Gott oder dem Geistlichen einen Platz einzuräumen. Wahrzunehmen, dass es eine Dimension ist, die in dem Entwicklungs- oder Veränderungsprozess eine Rolle spielt. Dann braucht es Zeit und Übung. Das ist nichts, was mit einer Sitzung oder einem Gebet getan ist. Ein geistlicher Prozess will vor allen Dingen etwas an der Wahrnehmung und an den Grundhaltungen ändern, mit denen wir Veränderungsprozesse durchlaufen. Es gilt hinzuschauen, was zur Geltung kommen will, und herauszufinden, was uns bisher daran hindert.
Pantenburg: Von Alfred Delp ist der Satz #Lasst uns dem Leben trauen, weil Gott es mit uns lebt." Vielleicht hat jeder schon einmal die Erfahrung gemacht, dass man denkt, alles ist klar, und plötzlich hört man die andere oder den anderen wirklich. Daraus können ganz neue Dimensionen für eine Gruppe entstehen und man merkt: Das ist ja auch noch eine Möglichkeit.
Stricker: Geistliche Begleitung im Team kann dabei helfen, auf die leisen Stimmen und Regungen zu hören, auf das, wofür im normalen Arbeitsalltag kein Raum ist. Was unter der Oberfläche entdeckt und gehört werden will. Dazu gehört die Einübung der Grundhaltung, dass der Geist wirkt, und zwar nicht nur bei mir, sondern auch im Leben vom anderen und im gemeinsamen Suchen und Ringen.
Pantenburg: Ein wichtiger Faktor ist, dass nicht mehr tragfähige Routinen im Alltag erkannt werden. So können sich Dinge bemerkbar machen, die einer Veränderung bedürfen, was aber erst im Austausch und Gespräch in der Gruppe erkennbar wird. Und man spürt plötzlich, dass man gemeinsam gute neue Lösungen findet.
In welchen Situationen ist eine Geistliche Begleitung sinnvoll?
Stricker: Das macht immer Sinn! Etwa, wenn ich eine Sehnsucht in mir spüre, die ich nicht richtig greifen kann. Wenn ich nach dem Sinn überhaupt frage - nach dem Sinn des Lebens oder nach dem Sinn des Glaubens. Sinn macht es auf jeden Fall, wenn Entscheidungen und Veränderungen anstehen, etwa der Wechsel in die Rente, ein Berufswechsel oder grundlegende familiäre Veränderungen. Sinn macht Geistliche Begleitung auch im Zweifeln und im Ringen mit der Institution katholische Kirche.
Pantenburg: Sinn macht Geistliche Begleitung gerade jetzt, in Zeiten zu erwartender Umbrüche. Ängste bekommen einen Raum der Aussprache. Es tut gut, mit jemandem über Befürchtungen, aber auch über Wünsche und Sehnsüchte sprechen zu können.
An wen kann ich mich wenden, wenn ich mich für eine Geistliche Begleitung interessiere?
Stricker: Es gibt im Bistum eine Internetseite mit Informationen. Dort werden die Geistlichen Begleiterinnen und Begleiter benannt und man kann direkt Kontakt mit ihnen aufnehmen. Es ist auch möglich, sich an das Referat Liturgie und Glaubenskommunikation zu wenden. Außerdem gibt es das Refugium in Hofheim, das Exerzitienhaus Hofheim und das Zentrum für Trauerpastoral. Man kann sich auch an uns vom Zentrum für christliche Meditation und Spiritualität wenden.
Pantenburg: Die Ordensgemeinschaften im Bistum haben ebenfalls viele gute geistliche Begleiterinnen und Begleiter. Außerdem sind die Angebote von Geistlicher Begleitung nicht auf die Bistumsgrenzen beschränkt: Die Nachbarbistümer Mainz, Trier und Köln bieten ebenfalls Begleitung an, nach dem gleichen System wie das Bistum Limburg.
Stricker: Am Anfang steht ein Erst- oder Informationsgespräch. Dort werden die Rahmenbedingungen besprochen und man schaut, ob man den Weg gemeinsam gehen möchte. Nach einigen Terminen wird wieder hingesehen: Ist es das, was der Begleitete sich vorgestellt hat? Im Mittelpunkt steht dabei immer die zu begleitende Person. Es ist seine Zeit und sein Raum. Wenn man feststellt, dass es, aus welchen Gründen auch immer, nicht passt, überlegt man gemeinsam, wer alternativ als Geistlicher Begleiter infrage kommen könnte.
Über welchen Zeitraum begleiten Sie Personen?
Stricker: Geistliche Begleitung geht normalerweise über einen längeren Zeitraum. Das kann von einem halben Jahr bis hin zu einigen Jahren reichen. Die Treffen sind dann in der Regel einmal im Monat oder alle sechs Wochen, und ein Treffen dauert etwa eine Stunde.
Wie wirkt sich Corona auf das Thema Geistliche Begleitung aus?
Stricker: Geistliche Begleitung ist trotz Corona möglich, auch im direkten Gespräch. Es gibt außerdem die Möglichkeit, zu telefonieren oder Gespräche per ZOOM oder Skype zu führen. Das ist am Anfang der Pandemie häufiger wahrgenommen worden. Im Moment merke ich einen deutlichen Trend zum persönlichen Gespräch vor Ort. Manche Begleitungen finden auch bei einem Spaziergang statt, wenn das Wetter es zulässt. Das ist alles möglich. Es hängt immer davon ab, was dem Einzelnen im Moment am liebsten ist.
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ieser Artikel erschien zuerst im NETZ-Magazin. Wir bedanken uns dafür, dass wir ihn hier veröffentlichen dürfen.
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